Von Elena Hong
Kinder sollen in Frieden aufwachsen – das fordern am internationalen Gedenktag für Kindersoldaten viele Hilfswerke und NGOs. Weltweit gibt es aktuell schätzungsweise 250.000 Jungen und Mädchen, die zum Kämpfen gezwungen werden. Um auf dieses Unrecht aufmerksam zu machen, hatten das Katholische Bildungswerk, die Bergische VHS und das Klingenmuseum Solingen zu der Veranstaltung „Kindersoldaten – mehr denn je?“ geladen. Im Anschluss gab es eine Podiumsdiskussion.
Hier geht es zum kompletten Flyer der Veranstaltung.
„Kindersoldaten – mehr denn je?“

Gerd Faruß vor Publikum (Bild: Elena Hong)
Rund 20 Besucher haben sich am 12. Februar auf den Weg zum Klosterhof 4 gemacht. Dabei wäre noch Platz gewesen im Tagungssaal des Solinger Klingenmuseums, wo bereits im Foyer Bilder und Überschriften auf das Thema des Abends hinweisen: Es geht um die Rekrutierung Minderjähriger zwecks kriegerischer Auseinandersetzungen. Gerd Faruß, seit fast 40 Jahren ehrenamtlicher Mitarbeiter bei der Kinderhilfsorganisation terre des hommes, erklärt in seinem Vortrag, dass Kindersoldaten häufig als Kämpfer, Spione und Mienenerkunder eingesetzt werden, oder als Köche, Träger und Sexsklaven im Tross mitziehen – schätzungsweise ein Drittel davon sind Mädchen. Länder, in denen das aktuell der Fall ist, sind beispielsweise Afghanistan, Kolumbien, Kongo, Indien, Somalia oder Syrien, aber auch Thailand oder Jemen. Dort sind Kinder aus kriegsökonomischer Sicht oft nur billiges „Kanonenfutter“.
Gerd Faruß im Interview
Überleben die Kinder den Einsatz im Kriegsgebiet und kehren nach Hause zurück, gestaltet sich die Resozialisierung oftmals schwer. Eine berufliche Ausbildung haben die Wenigsten. Viele hingegen tragen körperliche und seelische Schäden von der Zeit. Aus diesem Grund seien Bildungs- und Entwicklungsprojekte sehr wichtig, betont Faruß.
Kindersoldaten gab es schon immer
Das Phänomen minderjähriger Kämpfer ist nicht neu: Jörg Becker, Professor an der Universität Marburg, erläutert in seinem Kurzvortrag, dass bereits im alten Sparta 10-Jährige Jungen zu Kriegern erzogen wurden und im Mittelalter Schildknappen als Hilfsknechte dienten. Sie seien in Fehden und Kriegszügen der erwachsenen Ritter einbezogen worden. Doch die Quellenlage diesbezüglich sei schwierig, da es kaum schriftliche Überlieferungen gibt. Als bekanntestes literarisches Beispiel nennt Becker den Dichter Oskar von Wolkenstein, der als Zehnjähriger als „renner“ und „marstaller“ ins Milieu von Berufskriegern geraten war, was eine schreckliche und gewaltintensive Jugend zur Folge hatte. Becker weist außerdem auf eine Reihe von jüngeren Kriegen hin, etwa dem Tripel-Allianz-Krieg gegen Paraguay von 1864 bis 1870, bei dem es zur Kinderschlacht von Acosta-nu kommt, weil keine Männer mehr zur Verfügung standen, den Krim Krieg (1853-1856) oder den amerikanischen Bürgerkrieg (1861-1865), in denen Truppenkinder erstmals auch fotografisch dokumentiert wurden. Auf den Fotos sind Kinder zu sehen, deren Bajonette fast größer sind, als sie selbst.
Kindersoldaten im Bergischen Land
Was weit weg oder sehr lange her erscheint, war auch im Bergischen Land einmal gängige Praxis. So findet sich im Prunksaal auf Schloss Burg beispielsweise ein Gemälde, auf dem Soldaten dargestellt sind. Darauf sind auch ein Trommelbub und ein Junge mit Säbel in der Hand zu sehen – für Prof. Becker ein Beleg, dass Kinder auch hierzulande als Kriegshelfer eingesetzt worden sind.
Prof. Dr. Jörg Becker im Interview.
Kindheit, wie wir sie heute kennen, ist ein Produkt des 18. Jahrhunderts. Die UN-Kinderrechtskonvention von 1989 und das Fakultativprotokoll aus dem Jahr 2002 lehnen die zwangsweise Rekrutierung und den Einsatz bei Feindseligkeiten von Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren ab und wurde inzwischen von mehr als 165 Regierungen anerkannt. Dennoch setzen sich viele Staaten darüber hinweg, indem sie auch unter 18-jährige SchülerInnen für staatliche Armeen anwerben.
Was können wir tun?
Besucherumfrage.
Nach den Vorträgen herrscht im Saal eine bedrückte Stimmung. Die Betroffenheit über die Schicksale der Kindersoldaten ist spürbar. Moderator Thorsten Kabitz läutet nach einer kurzen Pause die Podiumsdiskussion ein, bei der die Besucher ihre Fragen loswerden können: Welche gesellschaftlichen Strukturen fördern die Militarisierung von Kindern? Welche Rolle spielen ungleiche Handelsbeziehungen in der Debatte? Und welche Rolle spielt Deutschland als drittgrößter Waffenexporteur?
Das Problem der Kindersoldaten ist ein globales und komplexes, aber immer noch weitestgehend unbekannt. Aufklärungsarbeit an Schulen helfen, die Öffentlichkeit zu vergrößern und den Druck auf Politiker zu erhöhen.
Gerd Faruß im Interview.
Mehr Infos zum Red Hand Day gibt es hier.