Von Sebastian Schulz

Es hätte eigentlich der Auftakt der diesjährigen Veranstaltungsreihe „Über die Welt und Gott“ des katholischen Bildungswerks Wuppertal Solingen Remscheid werden sollen. Für die in diesem Halbjahr geplante Auseinandersetzung mit dem heutzutage ambivalenten Begriff „Heimat“ reiste der Kölner Künstler Peer Boehm mit seinen Kunstwerken nach Wuppertal. Bereits die Vernissage der Ausstellung „Daheim ist am schönsten“ stand im Schatten von Corona und den Folgen für künftige Veranstaltungen. Inzwischen sind alle Veranstaltungen abgesagt und die Ausstellung dementsprechend unzugänglich. Doch ihr Titel scheint heute aktueller denn je.

Was ist daheim? Oder anders gesagt: was ist Heimat? Die Frage stellt man sich im 21. Jahrhundert vermutlich noch weit öfter als in den vergangenen Jahrhunderten. Globalisierung und Freizügigkeit tragen ihren Teil dazu bei, dass der Ort, den wir als „daheim“ bezeichnen würden, wechseln kann oder vielleicht sogar in mehrfacher Form existiert. Insbesondere in der aktuellen Lage, in der das öffentliche Leben durch die Maßnahmen gegen das Coronavirus weitgehend ausstirbt, ist jeder noch mehr gezwungen sein eigenes „daheim“ zu definieren. Ist Heimat dort, wo ich mich wohlfühle? Ist Heimat mein Geburtsort oder der Ort des Heranwachsens? Ist Heimat der Ort, wo die Familie ist?

Diese Fragen stellten sich schon vorher. Nun sind wir angehalten zu Hause zu bleiben und erkennen vielleicht, wo wir uns daheim fühlen. Daheim ist die eigene Wohnung, das Haus oder doch lieber woanders?

Der Kölner Künstler Peer Boehm (Bild: Sebastian Schulz)

Peer Booehm spielt in seinen Malereien mit dem Begriff, der scheinbar so vielschichtig ist. Auf hellem Untergrund bildet er Menschen mal in blau und mal in schwarz ab, wobei die Genauigkeit der Konturen schon fast an einen Kupfer- oder Holzstich erinnert. Bestechend ist jedoch eine gewisse Vertrautheit, die der Betrachter manchmal verspürt. Ein Zufall ist das nicht, denn die Art der Abbildung kommt Erinnerungen nahe, die viele in ihrem Leben schon gemacht haben, wenn sie ein altes Fotoalbum der Familie aufgeschlagen haben. „Die Vorlage sind immer alte Fotos, die ich auf dem Flohmarkt kaufe oder als komplette Fotoalben ersteigere bei Ebay oder mittlerweile auch gehäuft im Internet recherchiere und dann als Vorlage benutze für meine Arbeiten, die ich dann entsprechend meiner Vorstellungen verfremde und dann auf die Leinwand bringe mit gängigen künstlerischen Mitteln“, erklärt Peer Boehm.

(Bild: Sebastian Schulz)

Dass oft Fotoalben die Vorlagen bieten, hat einen Grund: auch heute noch sind sie ein Medium von Nostalgie und vor allem Erinnerung. Und so könne sich jeder zum Teil sein „daheim“ definieren, wie Boehm sagt, denn „Heimat funktioniert ja auch sehr viel über Erinnerungen, an was man sich erinnert und in der Erinnerung sind viele Dinge einfach schöner als sie tatsächlich waren“. Der Künstler versucht deswegen auch nicht zu beschönigen. Stattdessen zeigt er viele Bezüge zum „Daheim“, die zum Beispiel auch die Suche danach, eine persönliche Verbindung oder ein Ort sein kann.

Dr. Beate Eickhoff (Bild: Sebastian Schulz)

Da Peer Boehm in Teilen seine Vorlage in einem bestimmten Segment selektiert und aus dem Kontext der Bildsituation herauszieht, entsteht ein ganz neuer Effekt für die Betrachter, wie die wissenschaftliche Mitarbeiterin des von der Heydt-Museums Dr. Beate Eickhoff erklärt: „Kunst ist ja wirklich auch eine Form von Kommunikation und gerade die Bilder von Peer Boehm, finde ich, veranlassen sich auszutauschen, zu kommunizieren über Bilder; Vergangenheit, Bilder, die man im Kopf hat, Bilder, die einen beeinflusst haben oder unbewusst beeinflussen in der eigenen Identifikation“.

Das „Daheim“ für sich selbst zu definieren, in dem Erinnerungen und Bilder eine Identifikation ermöglichen. Es mag ein Ansatz sein, die eigene Heimat zu erkennen oder zumindest ihre Facetten zu entdecken. Während dem momentanen Rückzug aus dem öffentlichen Leben in Zeiten von Corona könnte das eine Chance sein, die eigenen Bilder und Erinnerungen zu suchen und zu finden.

Audiobeitrag zur Ausstellung (Radio Kilowatt)


Die Veranstaltungsreihe „Über die Welt und Gott“ des katholischen Bildungswerkes Wuppertal Solingen Remscheid sowie die Ausstellung von Peer Boehm sind aufgrund der aktuellen Ausbreitungsgefahr des Corona-Virus ausgesetzt. Nähere Informationen gibt es auf der Seite des katholischen Bildungswerkes. Bleiben Sie gesund!

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