Von Sebastian Schulz

Die Diskussion geht durch die Bevölkerung. Kann Wohlstand erhalten bleiben, wenn Nachhaltigkeit Vorrang bekommt? Nimmt mir jemand die Möglichkeit, einen PS-starken Wagen zu kaufen oder das Warenangebot eines globalisierten Kapitalismus zu genießen? Diese Fragen entstehen, wenn die Gewohnheit des Wachstumskapitalismus auf die Ressourcenknappheit unseres Planeten und Klimawandel trifft. Die Citykirche Elberfeld war aus diesem Grund auch voll besetzt, als Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler Dr. Wolfgang Kessler sowie Prof. Dr. Uwe Schneidewind, Geschäftsführer des Wuppertal Instituts, ihre Thesen in Impulsvorträgen vortrugen.

Dr Wolfgang Kessler (Bild: Sebastian Schulz)

„Wir wirtschaften, als hätten wir zwei Planeten“, erklärt Dr. Wolfgang Kessler. Der Autor des 2019 erschienenen Buches „Die Kunst, den Kapitalismus zu verändern“ hat eine nüchterne Beschreibung dessen, was unsere globalen Ökonomien und Märkte bestimmt: „In diesem Investorenkapitalismus sind Arbeiterrechte, Arbeitnehmerrechte, Umweltschutz, Regenwälder zweitrangig. Es zählen Wachstum und Gewinn. Ohne Skrupel investieren sie auch dort, wo Bedürfnisse Renditen versprechen.“ Damit verabschiedet Dr. Kessler fast eindeutig das Trugbild der sozialen Marktwirtschaft der 1950er und 1960er Jahre, denn auch Bereiche, die ursprünglich der Allgemeinheit dienen sollten, sind nun in Form von Innenstädten, Pflegeheimen und der intensivierten Landwirtschaft nichts anderes als eine Kapitalanlage mit idealerweise guten Renditen.

Mitschitt Impulsvortrag Dr. Wolfgang Kesseler

Dr. Wolfgang Kessler scheint in seinen Vorschlägen, eine eher politisch mit Anreizen gesteuerte Veränderung zu favorisieren. Darunter fallen beispielsweise Regularien und Grenzen für Wachstum oder auch Anreize – wenn nicht sogar Belohnungen für nachhaltige und ressourcensparende Warenproduktion. Dass diese Veränderungen aus dem Volk – demnach sprichwörtlich von unten – hervorgehen können, scheint er im Hinblick auf seine persönliche Betrachtungen der direkten Demokratie in der Schweiz eher auszuschließen; denn diese sei im Ergebnis eher als restriktiv gegenüber Neuerungen einzustufen.

Prof. Dr. Uwe Schneidewind (Bild: Sebastian Schulz)

Aber wie geht dann der Bürger damit um? Prof. Dr. Uwe Schneidewind beschreibt ein eher pragmatisches Bild von der Gesellschaft, die, wie er sagt, „in diesem Systemkonflikt sozialisiert wurde“. Es sind die ganz bekannten Beispiele aus dem Alltag. Gerade der Deutsche will sein Auto, seinen Wohlstand, die gesamte Bandbreite an Waren und Konsum, der global gesehen „auf dramatische Weise auf Kosten anderer geht“, um es mit den Worten von Dr. Wolfgang Kessler zu sagen. Trotzdem sieht Prof. Dr. Schneidewind eine Trendwende, die er als Entwicklung der letzten fünfzehn bis zwanzig Jahre sieht. Während ab den 1950er und 1960er Jahren der persönliche Wohlstand eng an materiellen Wohlstand gebunden war, scheint heute ein verbreiteter Fokus auf die qualitativen Umstände Vorrang zu haben. Denn der Bürger in Westeuropa setzt Wert auf Arbeit, Wohnraum und Umfeld sowie sozialen Zusammenhalt in der Familie und ökologische Umgebungsfaktoren.

Mitschnitt Impulsvortrag Prof. Dr. Uwe Schneidewind

V.l.: Dr. Katja Schettler (katholisches Bildungswerk), Moderatorin Verensa Hermelingmeier, Prof Dr. Uwe Schneidewind, Dr. Wolfgang Kessler im Gespräch (Bild: Sebastian Schulz)

Der von Prof. Dr. Schneidewind angesprochene Trend täuscht jedoch nicht über den Konflikt hinweg, den ein dringlicher Wandel in der oft sehr persönlichen Denkweise über Kapitalwirtschaft und Ökologie mit sich bringt. Das zeigten auch sehr kontroverse Reaktion im Publikum, die entweder zustimmender, jedoch auch stark kritisierender Art waren. Die Gewohnheit an das Paradigma der Wachstumswirtschaft lässt einen drohenden Wandel in der Ökonomie für manche als eine Gefahr für den persönlichen Wohlstand erscheinen. Die einzige Reaktion darauf muss laut den Referenten sein, demokratische Wege der Innovation zu gehen, um solche Ängste nicht in die Hände von Populisten fallen zu lassen.

Die Impulsvorträge mit anschließender Diskussion wurden ermöglicht von der Veranstaltungsreihe „Über die Welt und Gott“ des katholischen Bildungswerks Wuppertal/Solingen/Remscheid in Kooperation mit der Buchhandlung von Mackensen, der Citykirche Elberfeld, der Leserinitiative Publik-Forum und dem Wuppertal Institut. Im Jahr 2020 setzt sich die Reihe mit dem Themenschwerpunkt „Heimat und Migration“ fort. Weitere Information folgen.

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