Von Sebastian Schulz
Wenn Sumaya Farhat-Naser von ihrem Lebensweg erzählt, ist der Zuhörer gebannt. Mit einer unermüdlichen Art zu erzählen beschreibt die palästinensische Friedensaktivistin Begebenheiten, die in Teilen grausam, aber vor allem weltfremd erscheinen. Denn genau das ist die Perspektive einer Bevölkerungsgruppe in einem Staat, der eine systematische Ausgrenzung von Menschen betreibt. Eine Perspektive, die auch oft in den Sphären der Diplomatie untergeht und trotzdem seit Jahrzehnten einer der größten Konfliktherde ist.

Sumaya Farhat-Naser
Sumaya Farhat-Naser wurde 1948 bei Jerusalem geboren und studierte nach ihrem Abitur in Hamburg unter anderem Biologie, was sie schließlich bis zur Promotion in Botanik und später zu einer Dozentenposition für Ökologie und Botanik an der Universität Bir Zait brachte. Ihre Erzählungen legen nahe, dass sich die Situation der Palästinenser über die letzten Jahrzehnte kontinuierlich verschlechtert hat. Das liege vorrangig an der Siedlungsbaupolitik Israels, die vor allem auf Beschlagnahmung von palästinensischem Gebiet beruht. Hinzu kämen, laut Sumaya Farhat-Naser, auch restriktive Maßnahmen, die beispielsweise eine Rückkehr von Palästinensern aus dem Ausland immer schwieriger bis unmöglich machen. „Meine Brüder und Schwestern sind verteilt in der Welt“, erzählt sie.
Die Ausgrenzungspolitik des israelischen Staates ist Alltag. Einstellung der Wasserversorgung, Einschränkung der Bewegungsfreiheit, Kontaktsperre und sogar Tötungen hat Sumaya Farhat-Naser bereits erlebt. Selbst ihr Sohn habe bis heute mit den Folgen einer Schussverletzung zu kämpfen.

Sumaya Farhat-Naser während der Lesung (Bild: Sebastian Schulz)
In ihrem 2017 erschienenen Buch „Ein Leben für den Frieden“ schreibt sie: „Wir lebten und leben bis heute in getrennten Welt“. Einen wirklichen Kontakt mit Juden beispielsweise hatte sie erst während ihres Auslandsstudiums in Deutschland. Gerade diese Erfahrung sollte zurück in der Heimat prägend sein, denn zum einen fand vor Ort kaum Austausch zwischen Israelis und Palästinensern statt, zum anderen schien die Kommunikationsbereitschaft auf männlicher Seite ohnehin kaum zu existieren. 1994 zeigte sich allerdings mit der Gründung des „Jerusalem Center for women“, dass nicht etwa Kultur oder Religion Israelis und Palästinenser trennt. „Religion wird missbraucht und gebraucht […] aber eigentlich war Religion nie unser Problem. „Wir haben Jahrhunderte zusammen gelebt“, sagt Sumaya Farhat-Naser, die zwischen 1997 und 2001 Leiterin des Center for women war. „Wir (Frauen) haben gelernt, wie wir zusammen kommen können“ erklärt sie und führt an, wie gerade fehlende Wege des Dialogs eine Verständigung häufig unmöglich machten. Doch die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte haben es fast unmöglich gemacht, eine gemeinsame Zusammenkunft aufzubauen.
Diese Perspektive auf den Nahostkonflikt aus einer sehr persönlichen und alltäglichen Sicht ist selten. Schüler des Carl-Fuhlrott-Gymnasiums nahmen deshalb die Chance wahr, sich mit Frau Farhat-Naser zu unterhalten. Die vorbereiteten Fragen der Oberstufenschüler machten deutlich, dass unsere Sicht auf Israel und Palästina vor allem mit den Konflikten zwischen den Bevölkerungsgruppen verhaftet ist. Seien es religiöse Konflikte oder die Auswirkungen der israelischen Siedlungspolitik, Sumaya Farhat-Naser sieht darin schlicht die Ergebnisse eines verhinderten Dialogs. „Niemand kann uns aus der Welt wegschaffen“ sagte sie treffend, „also warum nicht eher die Gemeinsamkeiten als die Differenzen suchen?“
Eine Veranstaltung des Katholischen Bildungswerks Wuppertal / Solingen / Remscheid in Kooperation mit dem Carl-Fuhlrott-Gymnasium, der CityKirche Elberfeld (Alte reformierte Kirche), dem Literaturhaus Wuppertal e.V. und der Buchhandlung v. Mackensen.